Montag, 5. März 2007

"A friend is someone who overlooks the broken fence and admires the flowers in your garden"

Ich glaube, gestern war die zweite Gelegenheit, dass mir bewusst wurde, was Freundschaft, wahre Freundschaft eigentlich ist. Das soll jetzt nicht Taten oder Zeichen degradieren, die andere Menschen mir bisher als Freundschaftsdienste erwiesen. Aber gestern war so ein Erlebnis, dass ich sicherlich niemals vergessen werde und dass ich jener Person sicherliche niemals vergessen werde.

Dieses Geschehnis gestern veranlasst mich dazu, auch an das erste Erlebnis zu denken, was mir damals zeigte, was Freundschaft eigentlich ist und was meine sicher leicht idealisierte Vorstellung von Freundschaft mit beeinflusst hat.

Ich war damals in der 12. Klasse - also so lange ist es eigentlich noch gar nicht her. Ich hatte damals einen Freund, sehr lange schon. Wir hatten uns in der 5. Klasse kennengelernt und waren sofort unzertrennlich. Wir sind sozusagen zusammen aufgewachsen, haben gemeinsam die Stromschnellen und Wasserfälle auf dem Weg zum Erwachsenwerden gemeistert, waren füreinander da, wenn wir uns brauchten und auch, wenn wir uns nicht brauchten.
Dieser Freund hatte dann in der 12. Klasse eine Freundin. Natürlich brachte dies auch eine Veränderung in unserer Freundschaft mit sich. Nicht zuletzt dadurch, dass er mir kurze Zeit später beichtete, dass er eigentlich seit der 7. Klasse in mich verliebt war und sich in seine Freundin verliebte an dem Abend, da er gewisse charakterliche Ähnlichkeiten zwischen uns feststellte. Seit er also diese Freundin hatte, die dazu noch rasend eifersüchtig auf mich war, da jener Freund auch so unvorsichtig gewesen war, ihr von seinen Gefühlen mir gegenüber zu erzählen (?!?!?!?! - aber er hatte es getan), war nicht mehr alles so wie vorher. Wir "entfremdeten" uns sozusagen bis zu einem gewissen Grad.
Dann wurde mein Ranzen geklaut.
Ich hatte ihn - wie wir es eigentlich immer machten - in der Pausenhalle stehen gelassen, ehe ich mit ein paar Freunden in einer Freistunde in die Altstadt gegangen war. Als ich zurückkam, war er weg. Zunächst dachte ich mir nichts dabei - ich dachte, eine Freundin habe ihn zu unserem Klassenraum mitgenommen (er war leicht als der meine zu erkennen, da ich eine riesige Stoffsonnenblume draufgenäht hatte). Doch das hatte sie nicht. Wir hatten Mathe und ich lieh mir für die Stunde einfach Papier und Stifte von jener Freundin aus.
In der Pause danach machte ich mich wieder auf die Suche. Unter anderem fragte ich auch jenen Freund, ob er meinen Ranzen gesehen habe. Hatte er nicht. Ich wurde ziemlich verzweifelt. Nicht nur, weil alle möglichen abirelevanten Sachen drin waren, sondern hauptsächlich, weil sehr viele nicht materiell wertvolle Dinge, mit denen nur ich etwas anfangen konnte, drin waren. Mein Ideenbuch - unersetzlich, wenn unwiederbringlich verloren. Ebenso mein Aufgabenbuch, das ich stets liebevoll ausgestaltete - mit Zeichnungen, Gemälden, Beklebungen etc. Ich war den Tränen nahe.
Jener Freund merkte das. Wir hatten in den Monaten vor dieser Sache eigentlich nicht sehr viel miteinander zu tun gehabt, aber er kannte mich, seit ich 10 war und er merkte, wie es mir ging und dass mir das unendlich viel ausmachte.
Er ging durch sämtliche Räume mit mir. Er ging jeden Gang unserer Schule mit mir ab. Er übernahm die Jungentoiletten während ich die Mädchentoiletten absuchte. Es klingelte und eigentlich hatten wir Musik (einer der wenigen Kurse, die wir in der Oberstufe zusammen hatten), doch er erwähnte noch nichtmals, dass wir eigentlich dahin müssten. Er wusste auch, dass die ganze Suche nutzlos war, denn was um Gottes Willen sollte mein Ranzen im Kunstsaalabstellraum?! - doch er ging fraglos und ungefragt einfach mit mir.
Als ich schließlich die Tränen nur noch schwer zurückhalten könnend auf mein Fahrrad stieg um heimzufahren, drückte er mich kurz. Er ging noch in den Rest der Musikstunde, ich fuhr verzweifelt heim.
Den Inhalt meines Ranzens zu verlieren war schrecklich. Wer mich kennt, weiß, dass ich ein rundum glücklicher und ausgeglichener Mensch bin. In den darauffolgenden Tagen ging es mir so schlecht wie noch nie. Ich glaube, ungelogen sagen zu können, dass das die schlimmsten Tage meines Lebens bisher waren (und das will schon was heißen, denn, mein Gott, es war nur ein Ranzen, den ich verlor). Ich lag hauptsächlich im Bett und weinte. Um meine verlorenen Ideen. Um meine verlorenen Zeichnungen. Meine Eltern waren grandios und suchten den Stadtpark neben meiner Schule ab. Das Flussufer. Alles. Und sie fanden einiges. Den "unwichtigen" Inhalt meines Geldbeutels - sprich: Fotos, alte Kinokarten etc. aber auch jene Stoff-Sonnenblume, die ich glücklicherweise noch nicht geschafft hatte, wieder fest anzunähen, da sie ziemlich locker geworden war.
Doch ich hatte nicht nur etwas verloren, ich hatte auch etwas gewonnen - auch wenn mir das erst wesentlich später bewusst wurde. Ich hatte die Einsicht in wahre Freundschaft gewonnen. Ich weiß nicht, ob man das so nachvollziehen kann, wenn man das nur so liest, wie ich es schreibe. Egal, was zwischen jenem Freund und mir bis dahin vorgefallen war - mir war klar, dass er ein wahrer Freund ist. Der genau weiß, was ich in diesem Moment gefühlt habe, auch wenn er es nicht nachvollziehen konnte. Der einfach nicht in den Unterricht ging, weil er wusste, ich habe ihn nötiger.
Er ist immer noch mein Freund - und ich glaube, das ändert sich so schnell auch nicht. Es sind schon die krummsten Dinger zwischen uns gelaufen, aber das konnte uns bisher keinen Abbruch tun. Auch wenn wir längere Zeit mal nichts voneinander hören, wir wissen umeinander und wissen, dass wir da sind, wenn wir gebraucht werden.

Gestern nun durfte ich den zweiten grandiosen Freundschaftsbeweis erleben.
Ganz im Gegensatz zu oben genanntem Freund, kenne ich diesen Freund erst seit eigentlich sehr kurzer Zeit. Doch Zeit ist relativ. Tatsächliche Zeit und gefühlte Zeit klaffen in diesem Fall sehr auseinander. Wir füllen noch konstant Lücken über unsere bisherigen Leben, aber aus irgendeinem Grund kennen wir uns als Charaktere schon so gut, als haben wir schon gemeinsam im Sandkasten gespielt.
Was tat nun dieser Freund? Nun, er erkannte, dass ich unglücklich war. Er wusste, was ich eigentlich wollte und mich nur nicht traute zu sagen, weil ich - zu deutsch gesagt - ein Schisser war. Weil ich gerne mal meine Interessen hintenan stelle, um andere nicht zu enttäuschen. Was ja prinzipiell nicht schlecht ist, aber eben nicht immer sinnvoll. Da er mich kennt, wusste er, dass ich ein wenig Anstoß bräuchte, um über meinen Schatten zu springen und etwas zu sagen. Und wie schaffte er das? Nun, eigentlich hauptsächlich durch durchdringende Blicke. Natürlich sagte er auch etwas, aber ich glaube, das, was letztendlich den Ausschlag gab, waren diese Blicke. Blicke quasi auf den Grund meiner Seele, Blicke die mir sagten, hey, jetzt mach schon, sonst wirst du es ewig bereuen. Das hätte ich auch, das weiß ich.
Er nahm mir das Saure-Apfel-Beißen nicht ab, was er natürlich sehr leicht hätte machen können in diesem Fall, nein, er zeigte mir nur, dass ich es machen muss. Es war ihm nicht egal, dass ich unglücklich war. Und er kannte mich so gut, um zu wissen, dass ich ohne Hilfe daran nichts ändern würde.

Freunde, denke ich, sind eben genau das. Leute, die einen kennen mit allen Vor- und Nachteilen, mit allen Stärken und Defiziten. Die wissen, was sie wann tun müssen, um einen auf den richtigen Weg zu lenken. In gewisser Weise erfordert das auch Mut, denn man mischt sich ein, man macht sich mitverantwortlich.

Ich kann eigentlich gar nichts mehr sagen, nicht mehr als das. Ich fühle mich immer noch schwebend, dahingleitend auf einer Wolke der Glückseligkeit. Solche Freunde zu haben ist nicht selbstverständlich - es ist ein Geschenk des Himmels. Und wenn man sie hat, sollte man sie festhalten. Nicht so fest, dass man sie erdrückt, aber man sollte sie pflegen.
Insofern sollten die Erwähnten sich darauf einstellen, dass ich ihr Leben nicht mehr verlassen werde.
"Auf dass wir ewig halten."

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